Kobaltförderung im Kongo

Der (Alb)traumstoff

Im Kongo wird ein Rohstoff für die weltweite Produktion von Batterien geschürft - unter menschenunwürdigen Bedingungen. Ein Fotograf hat die Arbeit in den Minen dokumentiert.

Von Tim van Olphen und Luca Catalano Gonzaga (Fotos)

01.05.2020, 08.43 Uhr

Kobaltschürfer auf dem Weg zur Arbeit, bepackt mit Sieben und Schaufeln

Verschwitzte Männer und Frauen stehen zum Teil hüfttief in braunen, dreckigen Tümpeln. Sie schaufeln und schöpfen unermüdlich Gestein an die Oberfläche - mit einfachsten Mitteln und purer Körperkraft. Auch Kinder sind unter ihnen. Sie tragen Eimer oder sortieren die gewaschenen Gesteinsbrocken. Das zeigen die Bilder, die der italienische Fotograf Luca Catalano Gonzaga in den Kobaltminen im Süden der Demokratischen Republik Kongo aufgenommen hat.

Wer Akkus für E-Autos, Computer oder Handys bauen will, braucht Kobalt - zumindest beim heutigen Stand der Batterietechnologie. Im Moment wird das Erz hauptsächlich als Nebenprodukt beim Nickel- und Kupferabbau gewonnen. Die mit Abstand größten Vorräte lagern in der Demokratischen Republik Kongo. Der zweitgrößte Staat Afrikas bestreitet damit mehr als 60 Prozent der weltweiten Kobaltförderung.

Ein Großteil des Erzes wird durch den industriellen Bergbau im Süden des Landes gewonnen. Etwa zehn bis 20 Prozent entfallen aber auch auf den Kleinbergbau - und dieser findet häufig illegal, zum Teil auch auf den Gebieten der industriellen Minen, statt. "Die Bergleute schürfen unter extrem unsicheren Bedingungen. Da werden tiefe Stollen gegraben, die Einsturzgefahr ist hoch. Häufig sterben Menschen", sagt Philip Schütte, Berater der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), in einem Interview mit dem SPIEGEL. Auch Kinderarbeit sei ein Problem.

Der italienische Fotograf Luca Catalano Gonzaga ist vergangenes Jahr in den Süden der Demokratischen Republik Kongo gereist, um dort das Leben der Menschen und deren Arbeit in den Kobaltminen festzuhalten. Das dabei entstandene Fotoprojekt trägt den Titel "Bloody Batteries".

Das, was Gonzaga dort gesehen hat, habe ihn nachhaltig beeindruckt. Auf der ganzen Welt würden Smartphones, Tablets und Computer benutzt, aber nur wenige seien sich dabei bewusst, dass "Kobalt, das Mineral, aus dem die Batterien für diese Geräte hergestellt werden, durch die unmenschliche Arbeit von Erwachsenen und Kindern gewonnen wird", sagt der Fotograf.

Gonzaga konnte nicht nur das Leben der Menschen und ihre Arbeit in den Kobaltminen dokumentieren, er konnte auch den Weg des Rohstoffes nachvollziehen: Die Bergleute verkaufen das Erz an Ankäufer in der Nähe der Minen, die den Rohstoff wiederum an internationale Handelsfirmen weiterverkaufen. Das Kobalt werde zunächst in der Demokratischen Republik Kongo raffiniert, bevor es dann exportiert wird. In der Regel werde der Rohstoff dann auf Lastwagen verladen und zum südafrikanischen Hafen von Durban gebracht. Von dort transportieren Schiffe den größten Teil des Erzes nach China zur Weiterverarbeitung und zum Verkauf an Hersteller elektronischer Bauteile.

Außerdem seien dem Fotografen bei seinen Besuchen in den Minen die verheerenden Umweltauswirkungen aufgefallen, die der Bergbau auf die ganze Region habe. "Die Abholzung der Wälder und der massive Einsatz toxischer und radioaktiver Chemikalien verschmutzen die ganze Region stark, zum Nachteil der lokalen Bevölkerung", sagt Gonazaga.

Sehen Sie in der Fotostrecke wie die Arbeiterinnen und Arbeiter unter menschenunwürdigen Umständen in den Kobaltminen schuften und dabei ihr Leben aufs Spiel setzten, um für ihre Familien zu sorgen:

Das Dorf Kabamba liegt in der Provinz Lualaba im Süden des zentralafrikanischen Landes. Knapp 1700 Menschen leben hier, die meisten von ihnen arbeiten in den kleinen Kobaltminen der Umgebung.
Luca Catalano Gonzaga
Fast die Hälfte der weltweit bekannten Kobaltreserven liegen im Kongo, größtenteils im südlichen Grenzgebiet zu Sambia, vor allem in den Provinzen Lualaba und Katanga. Die Region ist seit jeher das bedeutendste Bergbaugebiet der Demokratischen Republik Kongo. Der größte Teil des Kobalts wird dabei industriell in großen Minen abgebaut - etwa zehn bis 20 Prozent entfallen jedoch auch auf den teilweise illegalen Kleinbergbau. Luca Catalano Gonzaga
Die Bergleute arbeiten in kleinen Teams von vier bis sechs Menschen. Jedes Team erhält dabei durchschnittlich 90 Dollar für 50 kg Kobalt in der Woche. Das Geld wird unter allen Arbeiterinnen und Arbeitern in den Teams aufgeteilt.
Luca Catalano Gonzaga
Den Kleinbergbau bezeichnet man auch als artisanalen Bergbau. Das bedeutet, dass mit Händen, Hacken und Schaufeln geschürft wird, ohne maschinelle Unterstützung. Der Kobaltabbau ist daher harte Arbeit. Der Rohstoff muss aus dem Gestein gewaschen - mit Eimer und Sieb.
Luca Catalano Gonzaga
Die Bergleute arbeiten in kleinen Teams von vier bis sechs Menschen. Jedes Team erhält dabei durchschnittlich 90 Dollar für 50 kg Kobalt in der Woche. Das Geld wird unter allen Arbeiterinnen und Arbeitern in den Teams aufgeteilt.
Luca Catalano Gonzaga
Eine junge Frau bereitet ein Sieb für vor. Es besteht aus einem Holzrahmen, über den ein Netz gespannt wird. So können die Kobaltmineralien im Wasser von anderen feinen Sedimenten getrennt werden.
Luca Catalano Gonzaga
Bei der Arbeit mit dem Siebrahmen wenden die Bergleute eine Art Entwässerungs-Technik an. Dabei bewegen die Arbeiter und Arbeiterinnen das Wasser und den braunen Schlamm durch das Sieb - das schwere kobalthaltige Gestein sinkt dabei auf den Boden.
Luca Catalano Gonzaga
Kalumbu Mulumbule (38) ist Kobaltschürferin. Sie arbeitet in einer der kleinen illegalen Minen in der Umgebung. Gemeinsam mit ihren Söhnen Maria Beja (2) und Llunga Malenge (4) lebt sie in Kabamba in einem einfachen Steinhaus. Das Dach ist notdürftig mit Stroh und Plastikplanen abgedeckt.
Luca Catalano Gonzaga
Auch Maman Mazula (21) lebt in dem kleinen Dorf Kabamba. Sie kommt gerade mit dem Fahrrad von der Arbeit aus den Kobaltminen zurück.
Luca Catalano Gonzaga
Oft müssen alle Familienmitglieder mit anpacken. Nur so können sie genügend Geld verdienen, um Lebensmittel und das Nötigste zum Leben zu kaufen. Die Bergbaufamilien, die meist aus Vater, Mutter und zwei bis drei Kindern bestehen, können im Monat etwa 100 kg des Rohstoffes gewinnen - dafür erhalten sie durchschnittlich 150 Dollar.
Luca Catalano Gonzaga
Während die Eltern in der Hitze schuften, sitzt ein Säugling am Rand des Wassers. Sie müssen bis zu zwölf Stunden am Tag in der prallen Sonne und den dreckigen und gefährlichen Minen und Tümpeln ausharren.
Luca Catalano Gonzaga
Kinder, die alt genug sind, werden in den Minen als Arbeitskräfte eingesetzt, wie Julie, 10 Jahre alt. Das UN-Kinderhilfswerk schätzte 2014, dass im Süden der Demokratischen Republik Kongo 40.000 Minderjährige im Kohleabbau beschäftigt sind. Auch eine aktuelle Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beschreibt Kinderarbeit in dem Gebiet, schätzt die Anzahl der Kinder in den Minen jedoch deutlich geringer ein.
Luca Catalano Gonzaga
Anna Kaj und ihre Kinder warten darauf, dass ihr Ehemann von der Arbeit aus den Kobaltminen zurückkommt.
Luca Catalano Gonzaga
Das kobalthaltige Gestein wird in den Minen entlang von Bächen und Flüssen gewonnen.
Luca Catalano Gonzaga
In den Kobaltminen werden Steine gesammelt, die den Rohstoff enthalten. Diese werden dann in nahen Flüssen und Seen gewaschen und gesiebt. Für das Waschen und Sortieren des Erzes sind in der Regel Frauen und Kinder zuständig.
Luca Catalano Gonzaga
Die Arbeit ist nicht nur körperlich extrem anstrengend, sie ist zudem auch äußerst gesundheitsschädlich. Der dauerhafte Kontakt mit Kobalt ohne Schutzkleidung, wie Handschuhe und Atemschutzmasken, kann zu schweren Lungenschäden führen.
Luca Catalano Gonzaga

Quelle: spiegel.de vom 01.05.2020